


Wer bereits in Bozen war, dem dürften vermutlich die grünen Steilhänge in Erinnerung geblieben sein, dicht von Baumkronen gesäumt. Passend dazu: Südtiroler Bergluft, sonniges Klima, das Lebensgefühl einer Stadt irgendwo zwischen Ruhe und italienischer Lebensfreude. Dort baut der 1980 in München geborene Gitarrenbauer Nikolaus „Klaus“ Eilken Gitarren.

„Mir geht es um Klang –
aber auch darum,
etwas Besonderes zu bauen.“
Nicolay Ketterer, im Gespräch mit Klaus Eilken im Oktober 2024

Individueller Charakter
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„Egal, wie obskur ein Projekt ist – ich versuche, Klang zu gestalten“, fasst Eilken seine Herangehensweise zusammen. „In erster Linie geht
es mir um den Ton – aber auch darum, etwas Besonderes zu bauen. Meine Gitarren haben alle Charakter auf ihre Art. Du könntest auf einer ‚gesichtslos‘ klingenden Gitarre nie einen Song schreiben. Da fällt dir
ja nichts ein!“, meint er schmunzelnd. „Das schöne ist doch, wenn der Klang so zu dir spricht, dass du dich beim Spielen selbst vergisst.
Das ist das, was mich interessiert, und was ich erreichen will.“
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Faszination für Holz und Schwingung
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Ursprünglich lernte Klaus Eilken klassische Gitarre – mit 14 Jahren
war der Drang nach einer Stratocaster so groß, dass er ein Jahr als Zeitungsausträger jobbte, um sich den Traum zu erfüllen; ein frühes Indiz dafür, dass Eilken nicht lockerlässt, wenn ihn eine Idee packt.
In Rosenheim studierte er Holztechnik. Das Zusammenspiel von Saiten und Holz faszinierte ihn so sehr, dass er sich stattdessen für eine Gitarrenbaulehre entschied. 2010 rief er mit Thomas Orgler, mit dem
er in der Geigenbauschule Mittenwald gelernt hat, „Thomas Guitars“
in Bozen ins Leben. Klaus Eilken übernimmt bei Thomas Guitars hauptsächlich das Design der Instrumente, Sounddesign und Produktionsplanung – etwa CNC- und CAD-Engineering. Sein Kollege Thomas Orgler kümmert sich um die Fertigung und Lackierung der Instrumente.

Mit „Thomas Guitars“ zum
eindrucksvollen Ruf in Europa
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Durch das Gespür für Klanghölzer und die passende Verarbeitung entstehen musikalisch reizvolle, „große“ Klangfarben. Die modernen Interpretationen von OO- bis zum Grand-Auditorium-Formen mit fast E-Gitarren-artiger Bespielbarkeit bescherte der Manufaktur einen Ruf weit über die Alpen hinaus. Dabei blieben immer Experimente interessant: 2018 entstand die „Tree“-Grand-Orchestra, deren Korpus aus Holz eines mittlerweile legendären „Tree“-Mahagonibaums gefertigt wurde.
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​„Du kommst an einen Punkt: Du hast ein Modell gebaut, und findest es perfekt. Genau so soll es sein. Und dann? Was machst du als nächstes?“
​Thomas Guitars ist Eilkens Hauptprojekt, dem er einen Großteil seines Instrumentenbauer-Daseins gewidmet hat. „Ich habe vier Modelle konzipiert und gebaut, und sie sind auch fertig entwickelt. Und dann? Was machst du als nächstes?“ Da komme mitunter eine Schaffenskrise auf. „Aus dem Grund mache ich jetzt auch andere Projekte, die separat von Thomas Guitars etabliert werden. Dazu gehoeren die Neuauflage der Larson Brothers , spannende Projekte mit vintage Holz und einem Projekt mit Nick Page und Amber Pickups.



​Projektleiter für Larson-Neuauflage
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Fast „konservativ“ mutet dagegen ein Projekt an, das er als Projektleiter betreut: Die US-Marke Larson Bros. war vor dem Zweiten Weltkrieg aufgrund eigener kompakten Stahlsaiten-Akustikgitarren populär. 1944 wurde die Firma abgewickelt. (Was war dazwischen?) Nachher wurden Larson-Instrumente unter anderem von Gene Autry, Les Paul und Johnny Cash gespielt. 2007 kaufte Toni Götz von iMusicnetwork die Marke, mehrere „Revivals“ folgten. Aktuell läßt Toni neue Larson-Instrumente von Klaus Eilken entwerfen, ein OO- und ein etwas größeres OM-Modell. „Ich habe mich mit Toni geeinigt nicht das urspruengliche Modell ‚Vintage-correct‘ zu bauen. Das interessiert mich nicht. Mir ging es vielmehr darum, eine Neuauflage zu designen. Meine Philosophie war: Wie würden die Larsons heute aussehen, wenn die Firma weiter existiert hätte?“
​„Ich will nicht ‚Vintage-correct‘ bauen,
das interessiert mich nicht.“
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Wie hat sich Klaus Eilken die Larson-Zukunft vorgestellt? „Ich wollte die Designs moderner und filigraner gestalten – etwas subtiler, die Formen minimal verändert. Der Original-Steg von Larson ist auch nicht mehr zeitgemäß, den habe ich ein bisschen verändert. Wenn der Steg so schmal ist, koennen leicht Teile vorne herausbrechen. Ich habe daher den Steg so verbessert, dass er dem aktuellen technischen Standard enspricht und in das heutige Soundkonzept passt. Bei den richtig alten Akustikgitarren ist es leider so, dass alle unterschiedlich klingen. Es gibt wenig Konstanz im Klangbild, mit ein paar sehr guten Gitarren und vielen eher durchschnittlichen. Der Vintage-Sound ist eine Idealvorstellung, die alle im Kopf haben.“ Er suche nach spannenden Klangeigenschaften in alten Gitarren, und möchte sie mit modernen Mitteln umsetzen. Als Projektleiter baut er die Masterbuilt instrumente und konzipiert dabei das Klangdesign und plant die Larson-Produktion.
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„Unter meinem Namen will ich ‚Custom-Guitarren‘ veröffentlichen – verrückte Projekte verwirklichen, oder umsetzen wenn Kunden etwas Spezielles möchten.“
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​Klaus Eilken realisiert daneben auch ungewöhnliche Projekte. Kürzlich hat er ein optisch ungewöhnliches Gitarren-Set gefertigt, unter dem eigenen Label „Liuteria Nikolaus Eilken“: „Die Instrumente entstanden aus einem 60 Jahre alten Segelboot aus dem Hafen von Livorno, mit einer bewegten Geschichte.“ Das mittlerweile ausrangierte Holzboot wurde von einem Architekten und Vintage-Gitarren-Sammler, den er als Kunde schon lange kennt, entdeckt. „Er fragte, ob ich aus dem Boot eine E- und eine Akustikgitarre bauen könnte.“ Ob es sich um gutes „Klangholz“ handelt, steht auf einem anderen Blatt. „Es ist so wenig übriggeblieben!“, stellt Eilken fest. „Das Boot war ursprünglich sieben Meter lang. Im Hafen haben sie uns Bug und Heck abgesägt. Die beiden Teile ließen wir per Lastwagen hier hoch transportieren – sie wogen jeweils ein paar hundert Kilo! Wir haben sie dann auf dem Parkplatz abgeladen und ich habe sie in zwei Tagen per Motorsäge zerlegt. Dabei habe ich nur die Planken herausgeholt, die entweder einen Klopfton hatten, oder aus meiner Sicht verwendbar waren. Da ist fast nichts übriggeblieben! Das passte auf einen Schreibtisch!“ Er lacht. „Der Rest war Müll.“
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​„Als Klangholz für die Gitarre blieb nur ein kleiner Teil des Boots übrig. „Das passte auf einen Schreibtisch!“
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Bei der E-Gitarre besteht der Korpus aus Okoume, oben und unten ist ein Top des Iroko-Bootholzes aufgeleimt. „Die viereckigen Kupfernägel des Bootes habe ich als Griffbretteinlagen wiederverwendet und auch in die ursprünglichen Lücken geschlagen. Die Schrauben, mit denen die Planken verschraubt waren, sind aus Messing. Auch die habe ich in der Gitarre wiederverwendet.
Die Akustikgitarre wurde noch viel „wilder“, wie er erzählt: „Das Schallloch ist der Auspuff des Bootes!“ Das Auspuffrohr des Schiffsdiesels sei ausgefranst, verrostet und morsch – Eilken hat kurzerhand einen runden Querschnitt verwendet. „Ich habe das Boot zerlegt und so wieder zusammengesetzt, dass es als Gitarre tauglich ist und gut aussieht.“ Die Farbverläufe hat er beim Abschleifen des Lacks bewusst herausgearbeitet um die Geschichte des Bootes darzustellen. Da er das klangliche Ergebnis aus dem Bootsholz schwer abschätzen könnte, baute er zwei Akustikgitarren aus unterschiedlichen Materialvarianten. „Eine habe ich komplett aus Iroko gebaut, die hat sich der Kunde ausgesucht. Die zweite habe ich mehr auf ‚Sound‘ getrimmt, mit einem Fichten-Top, in das ich Teile des Bootsholzes eingelegt habe.“ Der Sound ist sehr warm und intim. „Das trägt dich weg – das habe ich so nicht erwartet!“
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Trinity Guitars „Impact“:
„Leicht retro, aber auch neu“
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Aktuell arbeitet Klaus Eilken auch an einem E-Gitarren-Projekt mit Gitarrenbauer Nick Page und Fabian Wolter von Amber Pickups. Die Trinity Guitars „Impact“ ist urspruenglich eine Floyd-Rose-Gitarre mit Schraubhals und zwei Humbuckern. Die Neon-Ästhetik mit bunten Pickup-Covers ist von den 1980er Jahren inspiriert, die Formgebung von den 1990er Jahren,die mit moderne Fertigungstechnik kombiniert wurde. „Der Korpus ist recht aufwendig: ein Okoume-Body wurde mit einem recht dünnen, aufgeleimten Ahorn-Top und einer Wölbung auf zwei verschiedene Axen versehen. Damit kannte ich mich aus.“ So kam Eilken ins Spiel. „Wir haben alles modern mit Torx-Schrauben umgesetzt. Die Backplates sind aus Karbon eingelassen. Ich habe das Projektmanagement gemacht und die Designs von Nick in eine fräsbare CAD-Datei verwandelt. Die Arbeit mit Karbon musste ich allerdings neu lernen.“ Er schätzt die Herausforderung und auf dem Guitar Summit 2024 stießen diese Prototypen auf positive Resonanz.
